Wie gehen wir am besten mit Starkregenereignissen und langen Trockenperioden um? Nikolaus Geiler gab uns dazu in seinem Vortrag vom 26. Mai 2023 mit dem Bau von Schwammstädten einen Lösungsvorschlag. Das Thema des aktuellen Vortrags am 14. Juli von Hans Jörg Schwander zu „Gründächer und Fassadengrün“ knüpfte daran an. Gründächer und Fassadengrün können Wasser aufnehmen und über Wochen speichern. Begrünte Gebäude helfen dabei den natürlichen Wasserkreislauf wiederherzustellen und Schäden durch Extremwetterereignisse zu reduzieren oder komplett zu vermeiden.
In der Umgebung großer versiegelter Flächen wie Industriegebiete wird der Zusammenhang von Klimawandel und Bebauung besonders deutlich. Asphaltierte und betonierte Flächen lassen kein Wasser versickern, wodurch das Risiko für Überflutungen während Starkregenereignissen steigt. Zudem erhitzen sich dunkle Asphalt- und Betonflächen besonders stark und bilden ein brütend heißes Mikroklima, das für Menschen gesundheitlich belastend werden kann. Außerdem schnellen die Kosten für die Kühlung von Gebäuden in die Höhe. Steril gehaltene Flächen bieten wenig Raum für Biodiversität. Schwander stellte unterschiedliche Methoden der Gebäudebegrünung vor, die uns helfen sollen die genannten Probleme zu minimieren. Es gibt unzählige Variationen zu Fassaden- und Dachbegrünungen, die an fast jedes Gebäude angepasst werden können. So können wir unsere Umgebung lebensfreundlicher gestalten.
Dachbegrünungen zum Beispiel führen nicht nur zu mehr Artenvielfalt, sondern speichern bei Starkregen das Regenwasser und schützen als Wärmedämmung bei starker Sonneneinstrahlung die Dachhaut. So halten konventionelle Flachdächer durch die starken Temperaturunterschiede bei Tag und Nacht in der Regel nur ca. 20 Jahre, während begrünte Dächer durch ihre Dämmwirkung 40 Jahre und älter werden.
Dachbegrünungen bestehen aus vier Schichten, einem Schutzvlies, das Wurzelwerk daran hindert das Dach zu beschädigen, einer Dränage plus einem Wasserspeicherelement, das unterschiedlich viel Regenwasser zurückhalten kann, einem Leichtsubstrat, das Nährstoffe für Pflanzen bietet, und zuletzt die Pflanzen. Welche Pflanzen für ein Gründach geeignet sind, hängt von der Höhe des Substrats ab. Bei Extensivdächern liegt die Substrathöhe bei unter 15 cm. Leichtdächer sind Extensivdächer, die sich besonders für Dächer mit geringer Statik eignen. Mit einer Auflast von nur 55 kg/m² sind sie deutlich leichter als ein Kiesdach, das mit einer 5 cm hohen Auflage um die 90 kg/m² wiegt. Eine Alternative zu Leichtdächern sind Naturdächer, die auch zu den extensiv begrünten Dächern gehören, aber mehr Artenvielfalt bieten. Auf Naturdächer können eine Vielfalt von Stauden und Gräsern gepflanzt werden, die Brutplätze für bodenbrütende Vögel sowie viele Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Mit 96 kg/m² ist ein Naturdach nur wenig schwerer als ein Kiesdach.
Retentionsdächer schützen vor Überschwemmungen und entlasten die Kanalisation bei Starkregenfällen. Die Retentionselemente können bis zu 65l/m² Regenwasser aufnehmen. Mit einem Retentionsdach ist man ideal auf Starkregen (20 – 35l/m² Regen pro Stunde) und heftigen Starkregen (35 – 60 l/m² in sechs Stunden) vorbereitet. Extensivdächer haben noch weitere Vorteile.
Besonders interessant ist die Kombination aus einem Extensivdach und Photovoltaik-Anlagen. Dächer mit Begrünung erreichen selten Temperaturen von mehr als 30 °C wodurch PV-Anlagen nicht überhitzen und optimal Strom produzieren können. Zum Vergleich: bei der Kombination PV-Anlage und Kiesdach gibt es Einbußen von 5-8% bei der Stromproduktion durch die starke Rückstrahlung. PV-Anlagen werfen Schatten auf Gründächer und schaffen so Lebensraum für Pflanzen, die weniger Sonnenlicht benötigen. Die Kombination von PV-Anlagen und extensivem Gründach führt zu mehr Artenvielfalt. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die PV-Systeme nicht mit dem Untergrund verschraubt werden, damit keine Feuchtigkeit in das Dach eindringen kann. Beschwerungsblöcke aus Beton reichen aus, um PV-Anlagen auch bei starkem Wind zu fixieren.
Wenn die Statik es zulässt, ist ein intensives Gründach zu empfehlen. Je nach Substrathöhe kann ein intensives Dach bis zu 1.249 kg/m² im wassergesättigten Zustand wiegen und eignet sich für Obst- und Gemüseanbau. Bei mehr als 50cm Bodenauflage können auch Bäume gepflanzt werden. Intensivdächer können auch als Erholungsort für Mitarbeitende genutzt werden und bieten Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten, die das Dach über Jahre besiedeln können.
Es gibt viele Optionen für die Dachbegrünung, doch die vertikalen Flächen von Industriebauten sollten nicht vergessen werden. Fassadenbegrünung kann Stickstoffoxide bis zu 40% und Feinstaub bis zu 60% reduzieren. Die lokale Lufttemperatur wird durch Fassadenbegrünung um 0,8°C bis 1,3°C gesenkt, was für ein angenehmes Raumklima sorgt und Klimatisierungskosten senkt. Auch für die Biodiversität gibt es viele Vorteile. In der Fassadenbegrünung finden Insekten Futter und Vögel Nistplätze. Fassadenbegrünung ist außerdem höchst effizient und bietet viel Grün auf wenig Grundfläche. Je nach optischen Vorlieben und Baustruktur können unterschiedliche Pflanzen ausgesucht werden. Selbstklimmer wie Efeu oder Wilder Wein herauf klettern ohne große Unterstützung an Fassaden hoch. Lichtscheue Pflanzen wie Efeu sollen nur an Wänden angepflanzt werden, deren Oberfläche frei von Löchern und Rissen sind. Efeu und Blauregen dringen mit Ihren Trieben dort ein und verursachen Bauschäden. Wer dies beachtet, kann mit diesen Kletterpflanzen sehr eindrucksvolle Fassadenbegrünungen erstellen.
Mithilfe von Rank- und Seilsystemen kann eine Fassade auch begrünt werden, ohne das Pflanzen direkt am Bauwerk wachsen. Das Wachstum der Pflanzen kann so stärker kontrolliert werden. In Freiburg gibt es einige Unternehmen die Fassadenbegrünungssysteme planen und installieren. Green City Wall kreiert grüne Mauern, dazu nutzt das Unternehmen modulare Systeme mit regulierter Selbstbewässerung, die zum Teil mit Regenwasser betrieben werden können. Ein weiteres Unternehmen ist CityArc das in Zusammenarbeit mit Vertico vertikale Begrünungen im Innen- und Außenbereich plant und realisiert. Ein Beispiel dafür, wie grüne Mauern in der Industrie angewendet werden, liefert die Daimler Truck AG in Gaggenau. Dort befindet sich die größte deutsche Fassadenbegrünung.
Als weiterer Programmpunkt stand eine von Holger Benk organisierte Führung durch das Unternehmen des Fotobuchherstellers CEWE an. Der Geschäftsführer Martin Heiming präsentierte die Produktpalette des Unternehmens und führte durch den Betrieb. Von besonderem Interesse waren auch die interessante Wärme- und Kältegewinnung über das Grundwasser. Mit dem 6°C warmen Wasser wird im Sommer das Gebäude gekühlt und im Winter per Wärmepumpe geheizt. Außerdem wird das Dach mit PV-Anlagen bestückt und eine kleine Fläche für eine Dachbegrünung vorgesehen. Auf den Parkplätzen sind Ladesäulen für E-Fahrzeuge und eine große PV-Überdachung geplant, die laut Landesvorgaben ab 35 Parkplätzen Pflicht ist.